Meine Geschichte über angepasste Jagdverhaltensweisen eines weisen Hauskaters ist schnell erzählt:
Heute weckten mich aus meinem Vormittagsschläfchen gar zu köstliche Düfte. Ich schlich mich leise in die Küche, um dort ein bisschen im Weg zu stehen. Brav stolperten meine Menschen um mich herum, ohne mir auf die Pfoten zu treten. Sehr gut erzogen! Ich hielt meine Nase in die Luft. Es war tatsächlich Hühnchen. HÜHNCHEN!!! Ich ließ ein zunächst zartes und etwas klägliches Maunzen vernehmen und wartete die Wirkung ab … Ich wurde zwar sofort beachtet, betätschelt und liebevoll angeredet, aber von dem köstlichen Hühnchen flog mir dennoch nichts in den Hals. Ich legte etwas mehr Pathos in mein Miauen. Leider ebenfalls ohne Erfolg.
Nun legte ich mich wie üblich genau in die engste Verbindungsstelle zwischen Küche und Fresszimmer und wartete ungeduldig ab. Erfahrungsgemäß konnte mein aus tiefster Seele dringendes niedliches Miauen nicht lange unbeantwortet bleiben. Und in der Tat, nach nur ein paar Malen über die Pfote lecken und ein bisschen hoffnungsfroh Herumschnurren kam meine Mama tatsächlich schnurstracks mit meinem Futterschälchen um die Ecke. Prompt skizzierte ich mit meinem Schwanz ein Fragezeichen in der Luft und trippelte ihr glückselig hinterher. MEINE BEUTE. MEINS! Das hatte ich rechtmäßig erlegt – oder etwas nicht? Ich schnupperte am Napf: Es war Leber. Extra vom Chefkoch-Mensch für mich gebraten. Sehr fein. Daran hatte ich nichts auszusetzen. Nur – für wen war denn nun das Hühnchen? Meine Menschen wollten doch nicht etwa so viel Hühnchen ohne mich verspeisen?! Also das ging ja wohl so was von gar nicht! Okay. Die Leber war mir ja nun sicher. Also schnellstens in die Küche zurück und weiterbetteln! „Mau-maunz-mioh!!! Ohne Hühnchen werde ich gar nicht froh!“ „Aber Streuni! Magst du denn deine Leber nicht?“, hieß es sofort. Doch. Passt schon. Aber Hühnchen will ich auch. Sagten meine weit aufgerissenen Augen. Das war nun offensichtlich eine klare Ansage. Da erbarmten sich gleich beide meiner, sowohl mein Papa-Mensch als auch meine Mama-Menschin. Ich sahnte endlich jede Menge Hühnchen ab und dies ohne allzu große Anstrengung – zumindest im Vergleich zur Mäusejagd. Ich pflege daher zu sagen, Menschenerziehung ist zwar nicht leicht, aber sie lohnt sich!
So, und nun muss ich dringend mein Nachmittagsschläfchen halten. Wird Zeit für mich. Bis zur nächsten Lehrstunde!